Miniserie zu Exekutiven Funktionen: Teil 2 — Grundprinzipien wirksamer Interventionen bei exekutiven Dysfunktionen

Dr. Karen Dudek-Brannan
Bildung

Unabhängig davon, ob Sie mit neurotypischen oder neurodivergenten Personen arbeiten – jede Beziehung besteht aus Geben und Nehmen. Alle Beteiligten müssen sich bewusst machen, wie ihr Verhalten auf andere wirkt und welche Konsequenzen dieses hat. Das ist entscheidend für Selbstvertretung, selbstständiges Handeln und stabile Beziehungen.

Deshalb freue ich mich, hier den zweiten Paradigmenwechsel vorzustellen, den interdisziplinäre Teams vornehmen können, um exekutive Funktionen wirksam zu fördern. Den ersten Paradigmenwechsel finden Sie hier.

Im ersten Artikel dieser Serie habe ich erklärt, warum „soziale Fähigkeiten“ bzw. „pragmatische Sprache“ unter dem Dach der exekutiven Funktionen betrachtet werden sollten. Wenn richtig umgesetzt, kann eine Intervention in diesem Bereich Kindern die Fähigkeiten vermitteln, die sie brauchen, um mit den Feinheiten menschlicher Interaktionen umzugehen.

Anzunehmen, dass sie diese Fähigkeiten nicht lernen können, bringt sie in eine äußerst verletzliche Lage – wie ich in diesem Beitrag näher erläutere. Kinder müssen täglich mit Gleichaltrigen und Erwachsenen interagieren – deshalb sind diese Fähigkeiten auch für den schulischen Erfolg hochrelevant.

Aber funktionieren Sozialkompetenzgruppen?

So wie sie häufig durchgeführt werden: eher nicht. Aber das kann sich ändern – wenn wir den Zweck dieser Gruppen und ihren Platz im Versorgungsplan überdenken. Viele Einheiten solcher Gruppentrainings werden als „Gesamtpaket“ angeboten: Schüler:innen kommen zur Therapie, machen Rollenspiele oder sprechen über Gefühle und soziale Regeln – und das war’s. Vielleicht gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften, aber diese wird oft wie ein Bonus behandelt – als Zugabe, nicht als wesentlicher Bestandteil der Intervention.

Wenn Gruppentrainings so umgesetzt werden, kommt es zu mangelnder Generalisierung, unabhängig von den Qualifikationen der Fachkraft. Kinder versuchen vielleicht, das Gelernte in realen Situationen anzuwenden – doch das wirkt oft unnatürlich und unangenehm, weil sie eine Liste künstlicher Regeln gelernt haben, statt wirklich zu verstehen, wie man soziale Situationen „liest“ und reagiert.

Einige ziehen daraus den Schluss, soziale Förderung oder „Social-Emotional Learning“ ganz abzuschaffen – was problematisch ist. Genauso problematisch ist es, alle sozialen Interventionsformen pauschal als ableistisch zu bezeichnen. Wenn der Fokus auf Dingen wie Situationswahrnehmung und Perspektivenübernahme liegt, vermitteln wir wichtige Fähigkeiten – sowohl für neurotypische als auch neurodivergente Kinder.

Also... was ist der „richtige“ Weg, Sozialkompetenzgruppen zu bilden?

Dieser Schritt kann dabei helfen, alte Denkmuster aufzubrechen und die Erwartungen an den Ablauf neu zu definieren. Stattdessen könnten wir sie als „Treffen mit Schüler:innen zur Vorbereitung auf bevorstehende Ereignisse“ betrachten.

In anderen Worten: Es gibt einen Rahmen, in dem sich Lehrkräfte und Fachpersonal mit Schüler:innen im 1:1- oder Gruppensetting mit anderen Schüler:innen zu treffen und mit ihnen über bevorstehende Ereignisse zu sprechen und sie darauf vorzubereiten. Aber dieses Treffen ist ein Teil einer umfassenderen Intervention, nicht die einzige Maßnahme.

Diese Zeit kann zwar weiterhin als Therapiedauer im Förderplan eingetragen sein, aber wir können sie anders nutzen – und ggf. durch Beratungszeiten oder zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen ergänzen.

Das bringt uns zurück zum Konzept der „Versorgungsplanung“ statt nur Therapieplanung, denn hier geht es um mehrere Versorgungsmodelle.

Sozialkompetenzgruppen bestehen aus drei Komponenten, wenn wir sie als Teil eines größeren Serviceplans betrachten: Vorbereitung, Praxis im Alltag und Reflexion/Auswertung.

 

Sozialkompetenzgruppen als Teil eines umfassenden Versorgungsplans – mit drei zentralen Komponenten:

1. Vorbereitung

Planung und Vorbereitung auf bevorstehende Situationen mit Strategien, Rollenspielen, strukturiertem Üben und Visualisierungen. Hier ist ein guter Zeitpunkt für ein „Treffen mit Schüler:innen“ im Sinne der Intervention.

2. Praxis im Alltag

Hier findet der Großteil des Lernens statt. Erwachsene, die Kinder im Alltag begleiten, sollten Strategien vorleben und unterstützen. Dafür braucht es:

• Beratung

• Coaching

• Materialien

• strategische Gesamtplanung

Dies kann nicht allein in der Therapiesitzung geleistet werden – es muss im natürlichen Umfeld stattfinden (strukturierte Lernsituationen und freie soziale Situationen).

3. Reflexion & Auswertung

Durch Begleitung & Unterstützung von Lehrkräften und Fachpersonal: Rückblick auf vergangene Situationen: Was hat geklappt? Wo braucht es Anpassung? Dabei lassen sich neue Strategien für künftige Situationen entwickeln – hier ist erneut Raum für „Schülertreffen“ im therapeutischen Kontext. Reflexion kann direkt wieder in die nächste Vorbereitungsphase überleiten (Zyklus).

Wir müssen mit dem Versorgungsplan beginnen – und dann überlegen, wo Sozialkompetenzgruppen mit Schüler:innen sinnvoll integriert werden, anstatt sie als alleinige Maßnahme zu betrachten.

In Teil 3 dieser Artikelserie werde ich den dritten Paradigmenwechsel vorstellen – er zeigt, wie Sie mehrere Versorgungsmodelle umsetzen können, selbst bei knappen Zeitressourcen.

Über die Autorin

Dr. Karen Dudek-Brannan ist die Gründerin und Inhaberin von Dr. Karen, LLC, einem Unternehmen, das Therapeut:innen und Pädagog:innen dabei unterstützt, Interventionen zur Förderung von Sprache, Lesekompetenz und exekutiven Funktionen zu entwickeln. Sie hat einen Doktortitel in Sonderpädagogik sowie Qualifikationen als Direktorin für Sonderpädagogik und Assistive Technologie an der Illinois State University. Darüber hinaus hat sie dort ihren Master- und Bachelorabschluss in Sprachtherapie erworben. Sie hat 14 Jahre im Schulsystem gearbeitet und war in verschiedenen Führungspositionen sowie in der Hochschullehre tätig, wo sie Fachkräfte betreute und ausbildete. Zudem leitet sie den De Facto Leaders Podcast, in dem sie evidenzbasierte Ansätze, persönliche Erfahrungen und Experteninterviews zu Themen der Bildungs- und Gesundheitsreform teilt. Aktuell hat sie eine Managementposition beim Illinois Department of Children and Family Services inne.

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Mini-Serie zu Exekutiven Funktionen: Teil 1