Mini-Serie zu Exekutiven Funktionen: Teil 1 – Grundprinzipien wirksamer Interventionen bei Exekutiven Dysfunktionen

Dr. Karen Dudek-Brannan
Bildung

Als Fachbereich stecken wir häufig noch in veralteten Denkmustern fest, wenn es um die Gestaltung von Angeboten für Schüler:innen mit Exekutiven Dysfunktionen geht. Bei „Interventionen für Soziale Kompetenz“ denken viele an Erwachsene, die einer Gruppe von Kindern erklären, wie man sich in sozialen Situationen verhält – begleitet von Fragen und Diskussionen zur „Verständniskontrolle“. Doch eines der größten Probleme bei diesem Ansatz ist und bleibt: die mangelnde Generalisierung der Fähigkeiten in den Alltag.

Zwar sind sich die meisten Therapeut:innen einig, dass die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen und Eltern wichtig ist, doch wird für solche kooperativen Aktivitäten oft weit weniger strategisch geplant als für die direkte Therapie.

Deshalb lehre ich in der School of Clinical Leadership zuallererst, wie Therapeut:innen einen langfristigen Strategieplan erstellen können, um exekutive Funktionen gezielt zu fördern – sowohl für einzelne Kinder als auch auf Schulebene, unter Einsatz verschiedener Versorgungsmodelle.

Wenn die gesamte Intervention ausschließlich in der klassischen Therapiesitzung stattfindet, gelingt es Schüler:innen nicht, die erlernten Fähigkeiten in andere Kontexte zu übertragen. Wir als Fachkräfte müssen umdenken: Was gehört eigentlich zur „Therapie“, wenn wir exekutive Funktionen fördern?

Es gibt drei Paradigmenwechsel, die Therapeut:innen, Lehrkräfte und Schulleitungen nutzen können, um Kinder zu unterstützen.

Herausforderung Nummer eins: Generalisierung.

Viele Therapeut:innen berichten, dass Fähigkeiten im Bereich „pragmatische Sprache“ oder „soziale Kompetenzen“ außerhalb der Therapie nur mäßig Anwendung finden.

Der erste wichtige Perspektivwechsel: Pragmatische Sprache ist Teil exekutiver Funktionen.

Denn um z. B. in einem Gespräch angemessen zu reagieren, muss man die Situation erfassen, Gefühle und Gedanken anderer einschätzen und sein Verhalten entsprechend anpassen – ob im Freundeskreis oder bei Gruppenarbeiten in der Schule oder im Berufsleben. Das lässt sich nicht in einer isolierten Therapieeinheit allein vermitteln.

Von „Therapieplanung“ zu „Versorgungsplanung“

Ich erkläre diesen Unterschied gern anhand von „Eimern“ (buckets). Wenn wir Therapie planen, sehen wir oft nur den „Therapie-Eimer“, den wir mit Inhalten, Materialien und Strategien füllen. Dabei gibt es mehrere „Eimer“, die alle wichtig sind:

Therapie (1:1 oder Gruppensetting)

Beratung und Coaching (für Lehrer:innen, Eltern, Teams)

Trainings (für Schulen, Fachkräfte)

Materialien & Protokolle (zur Weitergabe)

Langfristige Strategieplanung (auf Team- oder Schulebene)

Die meisten Therapeut:innen füllen nur den ersten Eimer – und packen alles hinein, was sie haben. In der Tat gibt es einige Fähigkeiten, die speziell in diesem Bereich enthalten sein müssen, damit Kinder sie in einer gewissen Intensität erlernen können, die für bestimmte Aufgaben und Fähigkeiten benötigt wird.

Aber wenn wir langfristig und wirksam arbeiten wollen, müssen auch die anderen Eimer aktiv geplant und mit Inhalten gefüllt werden. Ein Beispiel: Statt nur weiteres Therapiematerial zu erstellen, könnten wir ein Coaching-Protokoll für Lehrer:innen entwickeln oder unsere Therapieansätze in einer weitergebbaren Form dokumentieren. Oder wir planen gemeinsam mit der Schulleitung, wie wir Zeiträume für diese Angebote über das Schuljahr hinweg blocken.

Auch wenn Therapie im Stundenplan den größten Raum einnimmt – die anderen Bereiche verdienen ebenso Aufmerksamkeit. Ich nenne das „Planung der Versorgung“, nicht nur „Planung der Therapie“. Dieser Ansatz ist strategisch, übergreifend und orientiert sich an den Bedürfnissen der Schüler:innen über den gesamten Tag hinweg – nicht nur an einem einzelnen Therapietermin.

Den zweiten Paradigmenwechsel für interdisziplinäre Teams bei der Umsetzung von Förderung exekutiver Funktionen bespreche ich in „Teil 2“ dieser Artikelserie.

Über die Autorin

Dr. Karen Dudek-Brannan ist die Gründerin und Inhaberin von Dr. Karen, LLC, einem Unternehmen, das Therapeut:innen und Pädagog:innen dabei unterstützt, Interventionen zur Förderung von Sprache, Lesekompetenz und exekutiven Funktionen zu entwickeln. Sie hat einen Doktortitel in Sonderpädagogik sowie Qualifikationen als Direktorin für Sonderpädagogik und Assistive Technologie an der Illinois State University. Darüber hinaus hat sie dort ihren Master- und Bachelorabschluss in Sprachtherapie erworben. Sie hat 14 Jahre im Schulsystem gearbeitet und war in verschiedenen Führungspositionen sowie in der Hochschullehre tätig, wo sie Fachkräfte betreute und ausbildete. Zudem leitet sie den De Facto Leaders Podcast, in dem sie evidenzbasierte Ansätze, persönliche Erfahrungen und Experteninterviews zu Themen der Bildungs- und Gesundheitsreform teilt. Aktuell hat sie eine Managementposition beim Illinois Department of Children and Family Services inne.

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